80 000 neue Freunde in nur einem Jahr
von Christian, 20.10.2021
Andrea und ich studieren und arbeiten beide in Wien. Die Stadt ist uns schnell ans Herz gewachsen und wir fühlen uns inzwischen selbst zu einem Teil als Wiener. Besonders gefallen uns die eleganten Bauwerke, die charmanten Lokale, die grünen Parkanlagen und die Weinberge, die wir jeden Herbst aufs Neue erkunden und dabei den köstlichen Wein der Heurigen genießen. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken und die Bewohner der Stadt sind ebenso vielfältig wie das Freizeitangebot. Sogar die manchmal etwas „grantige“ Wiener Art möchten wir nicht mehr missen.
Trotzdem zog es uns an den Wochenenden immer öfters aufs Land, als Ausgleich zur Hektik und Schnelllebigkeit der Großstadt. Doch ruhig sitzen zu bleiben und dem Wind zu lauschen bis wieder Montag ist, war uns dann doch zu langweilig. Die Idee, die alte Bienenhütte meines Großvaters wieder mit Leben zu füllen, stand schon lange im Raum, aber es blieb lange Zeit nur eine Tagträumerei, bis Andrea endlich Nägel mit Köpfen machte und uns für einen mehrwöchigen Imkerkurs der Imkerschule Wien Donaupark anmeldete. Doch während den ersten Theoriestunden, die wir immer recht spät am Abend hatten, wurde klar, dass sich die übliche Bauweise der Bienenbehausungen geändert hatte und Bienenhütten zum Großteil ein Relikt der Vergangenheit sind. Durch eine unglückliche Fügung konnten wir aber lange über die neue Standortwahl unserer Beuten nachdenken, denn durch die Corona-Pandemie verschob sich der Praxisteil unseres Kurses in den Sommer und wir entschieden, uns im Jahr 2020 keine Bienen mehr zu kaufen. Doch die Pandemie verstärkte in uns nur noch weiter die Vorfreude auf das Imkern und wir vertrösteten uns den Winter mit Bienenlektüre und einer anderen neu entdeckten Leidenschaft, der Met-Herstellung.
Im Frühling war es dann endlich so weit und wir hatten einen Imker gefunden, der Bienenvölker mit unserem gewünschten Rähmchenmaß anbot. Wichtig war uns ein großes Rähmchenmaß, damit sich die Brut nicht auf zwei Zargen aufteilen muss. Aus diesem Grund entschieden wir uns für das in Oberösterreich eher exotische Zander Jumbo Maß für den Brutraum. Vom Imker erstanden wir zwei gesunde Bienenvölker und verstauten die Beuten, mit Spanngurten gut verzurrt, in unserem Kofferraum. Während dem Verladen konnte man hören, was die Bienen von der ganzen Aktion hielten. So vorsichtig wie es nur ging und mit offenen Fenstern, damit sich der Stock voller aufgebrachter Bienen nicht zu stark erhitzt, fuhren wir eine knappe Stunde zu ihrem neuen Zuhause. Die Bienen, welche bei jeder kleinen Erschütterung aufbrausten und zu denen wir nach so kurzer Zeit schon eine Beziehung aufgebaut hatten, taten uns in diesem Moment sehr leid. Als wir die Beuten dann zuhause aufgestellt hatten und nachdem sich die Bienen beruhigt hatten, öffneten wir die Fluglöcher und waren erleichtert, beiden Völkern ging es gut.
Nach kurzer Zeit herrschte reger Flugverkehr vor den Beuten und die Bienen erkundeten ihre neue Umgebung. Zufrieden sahen wir unseren neuen haarigen Freunden noch eine Weile zu und stießen dann gemeinsam mit meiner Familie auf den erfolgreichen Tag an. Es war der 1. April und der Hinweis meines Bruders, die Bienen seien geschwärmt und würden gerade eine Traube auf unserem Traktor bilden, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Seitdem tummeln sich unsere Bienen auf den Blüten der Obstbäume, im Garten, auf den Wiesen und in den Wäldern.